Der Wendepunkt
ab nach Hause...
Uns ist zu Ohren gekommen, dass unser letzter Beitrag ein bisschen traurig geklungen hätte, weil wir doch öfter als gehofft allein geblieben sind. Für uns war es das aber nicht wirklich.
Wenn die Reise mal einen Weg einschlägt, der von unseren Bilderbuchvorstellungen abweicht, dann finden wir doch immer nach einem kurzen Augenblick der Neusortierung wieder zurück zu unserer Leichtigkeit und akzeptieren, dass wir eben nicht alles in der Hand haben. Umso schicksalhafter wirkt es dann, wenn die Marmeladenglasmomente einen ganz von selbst finden, sobald man aufhört nach ihnen zu suchen…
Wir verließen also Sagres, das Mekka der Surfcommunity und fuhren die Küste gen Osten, erstmal das mega Wetter auskosten, bevor es uns doch noch ins Landesinnere ziehen wird.
Der erste Stopp ist Albufeira, ein sehr beliebter Ort für Camper, um zu überwintern. Wir stehen hier allerdings nur eine Nacht auf einem proppen vollen Campingplatz, weil wir am nächsten Morgen einen Surfkurs ganz in der Nähe gebucht hatten.
Jawohl wir verlassen Portugal natürlich nicht, ohne nochmal in diesen Sport reinzuschnuppern. Unsere Wahl fiel auch zufällig auf eine sehr kleine Surfschule, wo nur ein anderer Junge im Gruppenkurs war, wir also quasi eine Privatstunde hatten und die ihren Unterricht an einem etwas weniger frequentierten Strand abhielt. Auch das Wetter war ideal, denn es war leicht bedeckt, warm und windig genug für einen guten Wellengang. So wurden wir nicht geblendet, hatte immer eine gute Sicht, um die nächste Welle ab zu passen und das Meer war so seicht, dass man weit rauslaufen konnte, ohne sich beim Paddeln verausgaben zu müssen. Unsere ersten 2 Stunden auf dem Wasser verliefen somit traumhaft, wir waren total angetan von dem Sport an sich und hätten am nächsten Tag gleich wieder einen Kurs gebucht, doch die Surfschule wollte ein bisschen renovieren. Der Muskelkater, der uns am nächsten Tag überkam, war darüber auch wenig traurig.
Also schlugen wir unseren Weg in die Berge ein, fuhren entlang der Grenze etwas gen Norden und verließen vorerst die touristische Küste. Dort endete unser Kapitel Portugal Mitte Januar und wir steuerten aus Nordosten kommend über Sevilla, wieder die Küste an. An alle die Sevilla noch nicht besucht haben, geht an dieser Stelle unsere ganz große Empfehlung! Wir geben zu, dass wir mittlerweile die Städteplanung nicht mehr so ernst nehmen, oft lassen wir Ortschaften aus, wenn wir noch nichts darüber gehört haben und uns die Google Bilder nicht sonderlich ansprechen. Wenn uns aber etwas hübsches auf dem Weg begegnet, dann fahren wir mal hin und lassen uns überraschen. Planen maximal 1-2 Tage vorher, indem wir uns ein paar Tipps zur Stadt durchlesen und informieren uns ein bisschen über die Sicherheit von unterschiedlichen Stellplatzoptionen.
Hier übernachteten wir also auf einem riesigen kostenlosen Stellplatz nahe der Innenstadt und schlenderten zu Fuß Richtung Zentrum. Es dauerte nur wenige Meter, nach der zweiten oder dritten Orangenbaumallee waren wir schon verliebt. In Sevilla wehte wieder dieser gewisse Charme durch die Gassen, wenige Autos, dafür viele Kutschen mit prächtigen Pferden, nette Lokale, saubere Straßen und unendlich viel Grün. Am Plaza de Espana kam unsere Tagestour zu ihrem großen Finale, auf diesem prächtigen Platz, wo die Menschen vor einer kitschigen Kulisse Bötchen fahren, wird gesungen und Flamenco in wehenden Kleidern getanzt und wir sind wieder mal ganz beseelt von unseren Eindrücken. Ohne Erwartungen an Orte ran zutreten ist für uns bis jetzt immer am besten ausgegangen. Wenn es uns nicht verzaubert, gehen wir meist mit einem neutralen: „Kann man sich anschauen, muss man aber nicht.“ raus, oder es läuft wie in diesem Fall und wir sind hellauf begeistert.
Jetzt aber zum eigentlichen Wendepunkt…Tarifa.
Plötzlich waren wir da, am südlichsten Punkt unserer Reise. Hier, wo sich Atlantik und Mittelmeer treffen ging unser 10. Monat dem Ende entgegen, das Gefühl von Heimreise setzte schlagartig ein und unsere Reisegeschwindigkeit nahm rapide ab. Als erstes haben wir an einem Strandspot, der uns empfohlen wurde, neue Bekanntschaften gemacht, haben mit sehr vielen, sehr entspannten Menschen Tage am Meer verbracht, ohne uns über irgendetwas Gedanken zu machen. Nur Lesen, Stricken, Yoga, Strandspaziergänge und ein bisschen Schwimmen den lieben langen Tag.
Die Mentalität der anderen Camper schien direkt auf uns ab zu färben, hier waren viele Elternzeit-Reisende, Fulltime-Vanlifer, Überwinterer und Langzeitreisende, die noch langsamer unterwegs waren als wir. Von Tarifa oder den nahegelegenen Häfen setzten viele über nach Marokko, oder auf die Kanaren, außerdem ist es ein sehr bekannter Spot für Kitesurfer. Die Stimmung hier war einfach wunderbar und genau das was wir brauchten, um uns von unseren Gedanken über die so schnell verstreichende Zeit ab zu lenken. Als wir uns dann bereit fühlten weiter zu rollen, änderten wir nochmal etwas unsere Routine, die Strecken, die wir zurücklegten wurden kürzer und die Planung noch unwichtiger. Es ging nicht mehr um Berge, die erklommen werden mussten und Städte, die von der Bucketlist gestrichen werden sollten. Es ging nur noch darum, die Vorzüge vom Leben im Bus nochmal in vollem Umfang auszunutzen. Und plötzlich trafen wir laufend auf entspannte Menschen. Verbrachten endlich einen gemütlichen Abend mit einem holländischen Pärchen in ihrem großen selbst umgebauten Leiterwagen, den wir schon seit Santiago de Compostela immer wieder auf dem Weg gesehen hatten. Wir kamen irgendwann in der Gorafe Wüste an, auf dem atemberaubendsten Stellplatz unserer Reise in Spanien, und liefen sogleich in die Arme eines schweizer Pärchens, Isa und Sascha. Auch super liebe, kreative und begeisterungsfähige Menschen, die wir ab der ersten Sekunde ins Herz geschlossen hatten. Die beiden waren allerdings mit einem ungedämmten Hijet ohne Standzeitung unterwegs und flohen nach der zweiten bitterkalten Nacht gen wärmere Küste. Auch uns zog es ein kleines Stück weiter, denn wir wollten uns in heißen Thermalquellen auch mal etwas aufwärmen.
Bei den "Banos de Zujar", oder dem 17 Bundesland, wie es auch getauft wurde, weil in dieser Schwefelsuppe fast ausschließlich Deutsche zusammen planschten, machten wir dann wohl noch unsere lebensverändernste Bekanntschaft. Wie wir so mit allen Grüppchen plauderten, wuselten allerlei Hunde um die Quelle und eine kleine süße Fellnase war immer wieder neugierig dabei das Wasser zu probieren und holte sich bei jedem, der gerade in der Sonne trocknete, ein paar Streicheleinheiten ab. Auf unsere Frage, wie der Kerl denn hieße, wurde uns berichtet, dass sie ihn vor ein paar Tagen Cookao (Cookie + Kakao) getauft hatten, er hier abgemagert rumgestreunert wäre und nun von einer Gruppe aus 5 Erwachsenen, 2 Kindern und 5 Hunden vorläufig aufgenommen und aufgepäppelt wurde. Sie könnten ihn allerdings nicht dauerhaft behalten, da sie alle schon selbst genug Hunde besitzen und würden ihn nur solange mitnehmen, bis sie ein Zuhause für ihn finden. Ich schaute zu Jonas, den ich normalerweise in Sachen Hunde überreden musste und erkannte sofort in seinem Gesicht, dass dieser freche Kerl sich bereits in sein Herz geschlichen hatte. Ab jetzt sind wir dann wohl zu dritt…
Am nächsten Tag war leider schon Aufbruchstimmung. Dominik, ein Österreicher, der mit seiner Hündin Gerti auch noch den Abend mit uns verbracht hatte, fuhr als erster, versorgte uns aber vorher noch mit einer Leine und einer Dose Nassfutter. Danach machte sich der große Trupp auf die Socken, gern hätten wir uns angeschlossen, denn Cookao genoss das Leben mit dem Rudel sehr. Doch es war für den kleinen Kerl wichtig zu lernen, wer ab sofort seine Herrchen sein würden. In der Gruppe hätte es ihn vermutlich nur irritiert. Und ohnehin fiel es allen schon nach wenigen Tagen sehr schwer sich von Cookao zu verabschieden. Mit seiner zutraulichen Art und seinem freundlichen Wesen wickelte er aber auch jeden um den Finger.
Also führte unser Weg weiter an die Ostküste Spaniens, dort wurde uns ein netter Strand empfohlen und wir fanden einen Tierarzt, der gut Englisch sprechen sollte in der selben Stadt. Und dann trauen wir unseren Augen nicht. Wir fahren auf diesen kleinen Strand, noch etwas traurig wieder allein zu sein und steuern direkt auf einen kleinen, weinroten, uns schon sehr bekannten Hijet zu. Davor steht Sascha, der uns ebenfalls direkt erkennt und einen Luftsprung macht. (Ich sag ja sehr begeisterungsfähig). Diese beiden süßen Schweizer, sind also ab sofort wieder unsere Nachbarn. Wie verrückt klein kann die Welt doch nur sein. Bis dato hatten wir nämlich noch keine Kontaktdaten ausgetauscht und da die beiden am Ende ihrer 2 monatigen Reise standen, hatten wir nicht damit gerechnet, dass sich unsere Routen nochmal so perfekt überschneiden. Das Wochenende verbachten wir zusammen, machten einen gemeinsamen Ausflug (Sascha ist begeistert von verlassenen, stillgelegten Orten) und kamen uns nochmal ein ganzes Stück näher, als unsere Gespräche am Abend eine sehr emotionale Wendung nahmen. So entschieden wir uns dazu, die beiden für zwei weitere Tage Richtung Norden zu begleiten, bis wir uns irgendwann aber wirklich voneinander verabschieden mussten. Ihr Urlaub war vorbei und wir hatten noch 3 Wochen Spanien vor uns, um auf die Wirkung von Cookaos Tollwutimpfung zu warten.
Die Hochburg der zentraleuropäischen Überwinterer, Andalusien, liegt hinter uns und eine Zeit mit vielen wundervollen Begegnungen ging zu Ende. Wir sind so Dankbar für jeden Einzelnen den wir kennenlernen durften, denn es hat unserer Reise ein paar ganz besondere Highlights verschafft, ihr ein leicht anderes Leben eingehaucht und uns besonders die Schwermut genommen, als uns das Gefühl überkam, wir würden schon die Heimreise antreten.