„Im Norden ist es bestimmt weniger schlimm!“
Hejhej, wir sind euch mal wieder ein Update schuldig. Wir wussten schon länger, wovon dieser Eintrag handeln sollte, doch konnten wir uns nicht aufraffen ihn zu verfassen. Zu schön ist aktuell das Wetter, die Natur und die Wanderungen, die wir Tag für Tag genießen und die uns abends immer erschöpft ins Bett fallen lassen. Weniger Lust hatten wir da in den eher weniger erfreulichen Erinnerungen von Finnland zu schwelgen.
Aber nun gut, auch sowas gehört dazu und der Vollständigkeit halber nehmen wir euch jetzt im Schnelldurchlauf mit bis nach Finnmark, Norwegen.
Wir sind nun also eine breite S-Kurve durch Südfinnland gefahren und lassen die letzten Städte von Savo hinter uns, eine Region, die als Seen-Finnland bezeichnet wird, gleichzeitig aber auch sehr waldreich ist. Dort verlief zudem die ehemalige Grenze zwischen Russland und Schweden, was uns dazu verleitete uns immer mehr mit den nordischen Kriegen zu beschäftigen und die Burg in Savolinna zu besichtigen. Außerdem aßen wir hier eine Spezialität namens Kallakukko. Gemeint ist damit ein in Speck eingewickelter und mit Roggenteig umbackener Haufen Maränen, denen lediglich der Kopf abgeschnitten wurde. Durch das Fett vom Speck werden die Gräten beim Backen weich und essbar. Ein arme Leute Essen, das man heute für viel Geld in einer traditionellen Backstube in Kuopio erhält. Also dort gibt es angeblich das Beste. Fotos davon hatten wir aber schon in unserem letzten Blogeintrag.
Nun aber ab in die Natur. Vor uns lagen endlos lange Straßen, die durch endlos viele Nadelbaumwälder führten. Es wurde warm und windstill und wir freuten uns auf die klaren Seen und einsame Nächte in der Wildnis. Doch es gab noch jemanden, der dieses Klima in diesen Regionen liebt…Mosquitos. Und zwar jede Menge von ihnen. Wir hatten ein Mückennetz für die Schiebetür, eins für unser Vorzelt und eins an der Dachluke. Da es bei ansteigenden Temperaturen allerdings schön gewesen wäre einen ordentlichen Durchzug im Bus zu erzeugen, entschieden wir uns noch eins zu kaufen, was wir zerschnitten, um es mit Magneten an der Heckseite zu befestigen und mit den Resten wurden noch die Fenster in der Fahrerkabine präpariert. Also waren alle Eingänge abgesichert, so der Plan. Anfänglich schien es auch zu funktionieren, doch mit der Zeit hatten wir das Gefühl immer mehr Mücken schafften es ins Innere. Wir kontrollierten pausenlos ob unsere Netze dicht waren, trauten uns kaum noch die Stühle und Tische aus dem Kofferraum zu holen, draußen entspannt sitzen hatte sich eh erledigt, und unser Heat-it (ein Gerät zur Behandlung der Stiche mit Hitze) war im Dauereinsatz. Zwischendurch sprangen wir zur Abkühlung in den See, linderten den Juckreiz und genossen einen Moment Auszeit. Der Plan die Viecher abends mit einem Lagerfeuer zu vertreiben, wurde durch die ausgewiesene Waldbrandgefahr verhindert und der Versuch einen Stellplatz nicht in der Nähe von Gewässern oder Sümpfen zu finden war schön, aber aussichtslos, abgesehen davon, dass man auf offener Fläche im Bus sowieso verbrannt wäre. Auch beim Wandern das gleiche Spiel: bleibt man kurz stehen, finden sie einen. Also hast du die Wahl zwischen gehetzt, keuchend und dem Kollaps nahe, deine Runde zu drehen, oder eben gefressen zu werden. Irgendwann zog unser Tempo immer mehr an und wir redeten uns ein: „Wenn wir im Norden sind, dann wird es bestimmt besser.“
Aber nichts da, sie jagten uns durch ganz Finnland und der einzige Ort, an dem wir halbwegs Ruhe fanden, waren Badestrände in kleinen Ortschaften. Dort verbrachten wir die gesamten heißen Tage, kein Wandern mehr, keine idyllische Einsamkeit am See, nur zum Schlafen ging es raus in den Wald. Doch als wir dann zwei Nächte hintereinander keinen Schlaf bekamen, weil wir bis 3 Uhr Nachts 200 Mücken erledigten und trotzdem durch penetrantes Summen und aggressives Stechen wachgehalten wurden, (die Mücken hatten sich tagsüber scheinbar ein Schattenplätzchen in unserer Außenwandverkleidung gesucht und stiegen in der kühlen Nacht peu a peu hervor) gaben wir auf. Kein Mückenmittel und Gitter hatte geholfen, das Einzige was uns noch blieb war die Investition in ein Thermacell Verdampfer. Kurzerhand bauten wir den Kofferraum auseinander, nahmen die Verkleidung ab und räucherten unseren Bus aus. Und siehe da, es wirkte. Wir konnten wieder schlafen und unser Leben im Bus genießen.
Tatsächlich haben wir dieses Gerät im letzten finnischen Supermarkt vor der norwegischen Grenze gekauft. Den Polarkreis und die damit verbundene magische Rentiergrenze, wie wir sie tauften, lag bereits hinter uns. Mittlerweile waren wir gewöhnt an die täglichen Sichtungen von kleineren Herden auf offener Straße. Unzählige Fotos von den bis dato uns unbekannten Vierbeinern sammelten sich auf den Speicherkarten. Diese Begegnungen waren etwas, das uns neben den sonstigen Strapazen immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zauberte.
Und plötzlich waren die Sorgen wie weggeblasen, als wir nur ein paar Kilometer über die Grenze fuhren. Am Horizont zeichneten sich die Berge ab, die Straßen führten uns über eine Achterbahn ähnliche Hügellandschaft immer weiter gen Norden und plötzlich waren wir am Meer. Die Schönheit von dieser kargen Fjordlandschaft, der Geruch von Algen und Stockfisch und der eisige Wind, der um die Ohren pfeift, während die Wellen an die Felsklippen schlagen, erfüllte uns umgehend mit so einem Glücksgefühl, dass sogar ein paar Freudentränen verdrückt wurden, weil ein wirklich sehnlicher Traum in Erfüllung gegangen ist, auf den so lange hingearbeitet wurde.