Urlaub gegen Hand

13. Okt. 2022
für mich alles andere als Arbeit im Urlaub

Vor weg vielleicht noch eine kurze Erklärung, worum es sich dabei handelt und wie ich dazu gekommen bin: Über Facebook habe ich in der Corona Zeit 2020 die Gruppe "Urlaub gegen Hand" (UgH) gefunden. Damals hatte ich eine Menge Überstunden abzufeiern und die Eventgastronomie, in der ich gearbeitet hatte, war sowieso im Lockdown. Ich musste also etwas finden, das trotz Reisebeschränkungen möglich war und im besten Falle nicht zu sehr an meinen Ersparnissen nagt, falls die Pandemie noch länger andauern würde (Spoiler: es war die richtige Entscheidung).

Eventuell kennt der ein oder andere WWOOF, das ist eine ähnliche Plattform, allerdings mit Mitgliederbeitrag und etwas professionelleren Angeboten. In der Facebookgruppe UgH sind doch öfters Angebote dabei, in denen Privathaushalte für bestimmte handwerkliche Aufgaben, Tierversorgung oder Alltagsunterstützung um Hilfe bitten. Oft wird eine bestimmte Arbeitsstundenzahl gegen Kost, Logie, oder Kost und Logie vereinbart. Häufig wird drüber diskutiert, ob es sich um Schwarzarbeit handelt oder nicht, aber ich denke jeder sollte für sich entscheiden was er für fair hält und was nicht, wer ihm zusagt und wer einem suspekt ist.

Ich hatte mir also überlegt bei welcher Arbeit ich hilfreich sein könnte, welches Ziel für mich interessant ist und hab mich beim ersten Mal für einen Betrieb entschieden, der schon öfters inseriert hatte und viele positive Resonanzen hatte, das Kräuterhotel Edelweiss auf der Rigi in der Schweiz.

Die beste Entscheidung seit langem. Ich habe mich ins kalte Wasser geworfen, ohne viele Informationen einzuholen, bin auf einen Berg gefahren, von dem man so schnell nicht runterkommt. Zu Menschen, die ich nur danach ausgesucht habe, dass sie einen Kräutergarten besitzen und Nachhaltigkeit anstreben. Und am Ende bin ich 1,5 Monate geblieben, habe jede Menge gelernt und geleistet, habe die Natur bei der Arbeit erleben dürfen und wunderbare Menschen kennengelernt.

Dieser Ort hat mich offener gemacht für neue Erfahrungen, mir die Möglichkeit gegeben die Schweiz kennen zu lernen, wie ich es mir nie hätte leisten können, mein Interesse geweckt an fremden Geschichten und mir gezeigt, wie wertvoll und hilfreich eine helfende Hand sein kann.

Darum war es mein Wunsch auch auf unserer Europareise hier und da mal ein Angebot anzunehmen. Die Menschen kennen zu lernen, die hier leben, oder ihre Geschichten, wie sie ausgewandert sind (es ist eine deutsch-sprachige Facebookgruppe, darum häufig Auswanderer). Da wir diesmal selbst ein Gesuch inseriert hatten, konnten wir die für uns interessanten Orte aussuchen und als uns eine Huskyfarm angeschrieben hatte, war sofort klar, dass wir den Umweg nach Nordschweden fahren werden. Es war zwar Sommerpause und noch zu warm zum Trainieren, aber die Lebensgeschichten des Pärchens, was ursprünglich aus dem Allgäu kam, war sehr spannend. Die Erfahrung im nordischen Nirwana zu leben interessant und das Kuscheln mit 49 (bzw. 46, zwei waren Angsthasen und eine mochte es nicht) Hunden ein wahrgewordener Traum und für Jonas eine gute Therapie. Er hat jetzt offiziell gesagt, dass er mittlerweile selbst angetan ist von der Idee einen Hund zu besitzen!!!

Auch wenn wir hier nicht so produktiv sein konnten, wie sonst, haben wir eine Menge über die Jobs in einer so fremden Branche gelernt, Freunde in Schweden gefunden und die Einladung erhalten im Winter wieder zukommen und den Schlittensport doch noch zu erleben.

Die nächste Stelle habe ich allein wahrgenommen, denn Jonas ist für 4 Tage in die Heimat geflogen und ich wollte ungern ohne ihn weiterreisen. Außerdem hatten wir noch ein offenes Angebot in der Nähe von Stockholm. Alles was ich wusste war: ü50er Pärchen mit vielen Tieren und „Irgendwelche Arbeiten gibt’s immer.“

Entpuppt haben sie sich als zwei politisch engagierte, prinzipientreue, Ex-Hamburger, die aus radikalen Überzeugungen an ihrem Selbstversorger Dasein arbeiten. Beide sind Jäger, er Tüftler, sie Tausendsassa, die Haus und Hof verwaltet, er verdient nebenher noch etwas um für die Posten, in denen sie noch nicht autark sind, Geld in die Kasse zu bringen. Zwei starke Charaktere, die super viele Geschichten zu erzählen hatten.

Wie sie die Vision ihres Schwedentraums angingen, wie sie ohne jegliche Kredite stets bescheiden auf ihren Verhältnisse gelebt haben, hat mich besonders inspiriert. Das Motto hier war nicht viel Fragen einfach machen. Etwas womit ich normalerweise Schwierigkeiten habe, wenn ich in einen fremden Haushalt eindringe. Doch ich sollte ja nur 4 Tage dort sein und unnütz im Weg stehen oder zur Last fallen wollte ich in dieser Situation auf keinen Fall. Also war es an mir über meinen Schatten zu springen und in meine Fähigkeiten zu vertrauen. So habe ich jeden Tag die Kaninchen, Hühner und Enten versorgt, Himbeeren zurückgeschnitten, Holz für den Winter geschlichtet, hier und da noch ein paar Kleinigkeiten erledigt und am Ende noch allein ein Dach gesäubert und neu eingedeckt.

Und das schönste daran ist, dass jede Tat honoriert und gedankt wurde. Er war herzlich in seinen Worten und sie in ihren Gesten. So durfte ich von ihr lernen, wie man ein Fenster kittet, wie man Wolle spinnt und etwas über mir unbekannte Pilzsorten im Wald, alles Dinge, für die sie sich Zeit genommen hat als Dankeschön für meine Arbeit. Dinge, die ich so schnell nicht wieder vergessen werde und die mich erneut ermuntert haben meine Fähigkeiten stetig zu erweitern.

Auch wenn ich verstehe, dass es nicht jedermanns(-fraus) Sache ist im Urlaub zu ackern, so denke ich, dass man es auch aus anderem Blickwinkel betrachten kann. Ich habe bis jetzt ausschließlich positive Erfahrungen gemacht und weltoffene, herzliche, bisschen ausgeflippte Menschen kennengelernt, die mir nachhaltig im Gedächtnis bleiben werden und ich kann Urlaub gegen Hand nur jedem empfehlen.

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